Am neunten Tag der Albtour besuchten wir zunächst Jutzy’s Käseküche in Auingen. Nur ein paar hundert Meter von dort haben wir Veit Senner und seine Mofas getroffen, mit denen er Touren über die Alb anbietet. Weiter geht’s nach Oberstetten, wo wir beim Jugendzeltlager vom Bund Naturschutz Alb Neckar vorbeischauten. Und zum Abschluss des Tages fuhren wir noch zur Gedenkstätte und dem Dokumentationszentrum Grafeneck. Dieser Austausch ging uns unter die Haut.
Judith Bucher wurde in der Schule Jutzy genannt. Der Spitzname von damals findet sich heute im Namen ihrer Käseküche wieder. 33 Ziegen leben mit ihr auf dem Aussiedlerhof, den sie als Hofnachfolgerin in Spe von ihrem Vater übernehmen wird. Im Moment produziert sie Grillkäse und Frischkäse. Steht erst der Reiferaum für den Hartkäse, dann wird Bucher ihr Sortiment erweitern. Die junge Frau hat beeindruckende Lehrjahre hinter sich gebracht, von der landwirtschaftlichen Ausbildung ging es auf Ziegenhöfe in Irland und am Bodensee, die Techniker Schule folgte, und danach hat sie noch das Käsen in der Schweiz gelernt. Ihren Käse vermarktet sie bisher auf dem Wochenmarkt Ehingen und in Hofläden der Umgebung. Ihre Ziegen besuchen wir auf einer Wiese nahe dem Hof. Und natürlich bewundern wir auch die Zicklein, die dieses Frühjahr geboren sind. Streicheleinheiten dürfen da nicht fehlen.
Veit Senner hatte mit 15 ein Mofa. Dann wurden die fahrbaren Untersätze schneller. Als er dann vor zehn Jahren das erste Mal wieder auf einem Mofa saß, fühlte er sich plötzlich wieder wie 15. Die 25 km/h waren plötzlich wieder genau die richtige Geschwindigkeit. Und mit der bieten er und sein Team von „Rad der Zeit“ inzwischen Gruppen Rundfahrten über die Alb an. Seine Mofas sind ältere Schätzchen von Hercules, Pegasus, Sachs und sogar DKW. Für den Bau von Ersatzteilen hat er eine Manufaktur im Land gewinnen können, um nicht auf schlechte Billigprodukte aus China angewiesen zu sein. Und seine Touren durch‘s Biosphärengebiet Schwäbische Alb sind sogar nachhaltig, denn die Mofas werden mit Alkylatbenzin betankt. Das stinkt nicht und ist für den Einsatz von Kettensägen in Naturschutzgebieten erlaubt.
Der Bund Naturschutz Alb-Neckar (BNAN) organisiert seit inzwischen 49 Jahren jeden Sommer in den Ferien ein Jugend-Naturschutz-Zeltlager für 14 -20-Jährige, erzählte Isolde Ludwig, die sich mit ihrem Mann seit Jahren beim BNAN engagiert. Dieses Jahr findet es im Naturschutzgebiet Steinberg-Dürrenfeld bei Oberstetten statt. Heute wurde das Lager aufgebaut. Zwei Duschkabinen, Küchenzelt und Schlafzelte stehen schon. Die Jugendlichen stoßen am Samstag dazu. Zwei Wochen werden sie hier neben Sport, Spiel, Kocheinsatz und Lagerfeuer ein nahes Waldstück entbuschen. Denn dort wächst die seltene Mondraute, und dem Farngewächs soll mit der Aktion wieder mehr Lebensraum verschafft werden. Pia und Ronja freuen sich auf die Jugendlichen, die sie ab morgen betreuen werden. Immerhin waren sie beide selbst mal „Teilis“.
Grafeneck ist ein Ort, der für die Gräueltaten der Nationalsozialisten steht. Hier wurden 1940 genau 10.654 Menschen mit geistigen Behinderungen oder psychischen Erkrankungen von ihnen ermordet. Rund 30.000 Besucher:innen kamen im letzten Jahr, um Gedenkstätte und Dokumentationszentrum zu besuchen, erzählt Gedenkstättenleiter Thomas Stöckle. Er und sein Team leisten hier wichtige Arbeit. Etwa mit der beeindruckenden Ausstellung im Dokumentationszentrum, die das Euthanasieprogramm der Nazis in seinem gesamten perfiden Ausmaß zeigt. Denn allzu lange herrschte bei diesem Thema in Deutschland eine erdrückende Erinnerungsverweigerung. Umso erschreckender ist, was unlängst in Grafeneck geschehen ist. Stöckle erzählt, dass sie zwischen anderen Steinen am Eingang des Dokumentationszentrums unlängst einen Pflasterstein gefunden haben, der mit den Farben der Deutschlandfahne, einem Hakenkreuz, der Aufschrift „Fck Grün“ und einem blauen Herzen verziert war. Das blaue Herz gilt im Internet als eindeutige Sympathiekundgebung für die AfD und ihr rechtsradikales Gedankengut. Einige Tage später wurde beobachtet, wie vier junge Männer an der 300 Meter entfernten Gedenkstätte für die Opfer der Euthanasie, den Hitlergruß zeigten und Nazilieder grölten. All das macht deutlich, rechtsextremer Hass und Hetze richtet sich immer auch gegen Minderheiten und verwundbare Bevölkerungsgruppen. Diese Angriffe zeigen, wie wichtig es ist, dass wir uns alle gemeinsam gegen Rechtsextremismus und Faschismus stellen. Niemand darf in der Angst und Sorge leben müssen, dass sich die Verbrechen der Nazizeit wiederholen. Nie wieder ist jetzt!