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28.07.2022

Albtour 2022 – Tag 8

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Am achten Tag meiner Albtour hat mich die grüne OB-Kandidatin, Ulrike Baumgärtner, begleitet. Zuerst trafen wir uns mit Hoteliers, um mehr über die Probleme der Gastronomie zu erfahren. Von dort ging es weiter zum Tafelladen in Münsingen. Am Nachmittag trafen wir auf dem Hof von Uschi Gorzelany in Kochstetten einige Landfrauen. Zurück in Münsingen besuchten wir das Café Moritz. Und am Abend ging es dann noch zum Dorffest nach Gomadingen.

Die Mehrwertsteuer ist der springende Punkt für die Gastronomie. Da sind sich Eva-Maria Rühle, stellvertretende Vorsitzende des Hotel- und Gaststättenverbands DEHOGA in Baden-Württemberg und ihre Kolleg:innen einig. Denn im Moment liegt der Mehrwertsteuersatz für Speisen aufgrund der Corona-Pandemie bei sieben Prozent. Mit dieser befristeten Reduzierung wurden Gastronomen und Hoteliers für die zwei langen Lockdowns von der Politik entlastet. Jetzt geht es darum, wie es weitergeht mit dieser Reduzierung. Wird der Satz wieder zurück auf 19 Prozent erhöht, das würde vielen in der Gastronomie das Genick brechen, ist Gerhard Gumpper vom Forellenhof Rössle und Kreisstellenvorsitzender der DEHOGA Reutlingen, überzeugt. Inge Tress vom Hotel Rose und Reiner Autenrieth vom Hotel Hermann können da nur zustimmen. „Das ist für uns existentiell.“

Existentiell ist andererseits auch der Fach- und Arbeitskräftemangel in der Gastronomie, der durch Corona noch verschärft wurde. Tress, Authenrieth, Gumpper und Rühle, sie alle beschäftigen längst Geflüchtete und andere Menschen aus aller Herren und Damen Länder. 2019, so erzählt Rühle, arbeiteten 139.000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte in Baden-Württemberg in der Gastronomie und Hotellerie und 35 Prozent dieser Beschäftigten hatten ausländische Wurzeln. Hier gibt es aber vielfältige Probleme. Viele von ihnen dürfen bei uns eine Ausbildung machen, und wenn sie dann gut eingearbeitet sind und nach der Ausbildung übernommen werden sollen, droht plötzlich die Abschiebung. Oder der Aufenthalt ist über Jahre hinweg immer wieder befristet. Um diese Menschen halten zu können, brauchen wir endlich einen Spurwechsel bei der Einwanderungspolitik. Auch Geflüchtete, die nur geduldet sind, müssen die Chance bekommen zu arbeiten.  Außerdem, und dafür plädieren die Hoteliers unisono, brauchen wir dringend Deutschkurse parallel zum Job, also Unterricht, der Learning by Doing ermöglicht, also Spracherwerb während der Arbeit oder der Ausbildung. Und um neue Kräfte überhaupt anwerben zu können, wünscht sich die Gastronomie außerdem einen deutlichen Bürokratieabbau, wenn es um die Einstellung von Arbeitskräften aus Drittländern außerhalb der EU geht. Diese Anregungen nehme ich auf jeden Fall mit nach Berlin.

Die Wegstrecke zum Tafelladen war kurz. Die Tafel Münsingen hat die Coronazeit erstaunlich gut überstanden. Der Tafelladen ist inzwischen zu einem reinen Second-Hand-Laden geworden. Und die eigentliche Lebensmitteltafel wurde coronabedingt zum Tafelmarkt auf dem Münsinger Rathausplatz, und da findet der Tafelmarkt heute noch dienstags und freitags statt. „So wurde die Tafel in Münsingen sichtbar“, meint Ina Kinkelin-Naegelsbach vom Diakonieverband Reutlingen. „Sie gehört jetzt zum Stadtbild dazu.“ Elisabeth Thudium, die den Second-Hand-Bereich der Tafel leitet, kann dem nur beipflichten. Jörg Wolff, der die Lebensmittelspenden bei Lebensmittelmärkten und Bäckereine sammelt, bestätigt, dass die Spenden seit dem Beginn des Ukrainekriegs zurückgegangen sind. Bisher reicht es für die Tafel in Münsingen aber noch. Und das ist gut so. Denn inzwischen wird der Tafelmarkt natürlich auch stark von Ukrainerinnen besucht, die nach Münsingen geflüchtet sind, weil in ihrer Heimat Krieg herrscht.

Die Strecke zum Biohof von Uschi Gorzelany in Hayingen Kochstetten war dann schon eine längere Tour. Im Hühnerstall von Gorzelanys hocken diesmal neben rund 3000 Legehennen und 20 Gockeln auch ein paar Schafe und suchen Schatten an einem heißen sonnigen Tag. Früher kamen im Sommer immer Praktikant:innen aus Russland auf den Hof. Das hat sich wegen des Ukrainekriegs zerschlagen. Aber über das AKI Programm, über Agrarkontakte International, fand Gorzelany für diese Saison eine Praktikantin aus Kenia, eine junge Frau, die bereits ihren Bachelor in Tierzucht im Heimatland abgeschlossen hat und ganz begierig lernt, wie die auf der Alb das mit den Hühnern so regeln. In Kenia hat sie selbst einen Hof mit 800 Hühnern. In Kochstetten schmeißt sie schon nach wenigen Tagen die Arbeit im Stall allein.

Wir gucken kurz noch bei den Hühnern rein, bevor wir uns mit Pia Münch, der Vorsitzenden der Landfrauen im Kreis Reutlingen, und ihren Landfrauen zusammensetzen und bei Kaffee und Kuchen darüber sprechen, was die Landfrauen derzeit so umtreibt. Landfrauen, das sind längst nicht mehr nur die Bäuerinnen, die in der Landwirtschaft tätig sind. Nein, Landfrauen sind alle Frauen, die auf dem Land leben und arbeiten und die gleichen Probleme antreffen. Das geht los bei der Kinderbetreuung und Altenpflege, über die medizinische Versorgung auf dem Land bis hin zu guten Weiterbildungsangeboten für Frauen, die an allen Ecken auf dem Land fehlen. Die fehlende Geburtshilfe und der Mangel an Pflegekräften bereiten den Frauen große Sorgen. Und natürlich ist auch das Thema Energie eines, das alle derzeit beunruhigt. Die Landfrauen plädieren unisono für mehr Photovoltaik, aber nicht auf Ackerland, sondern auf anderen Flächen. Uschi Gorzelany etwa könnte einen Teil ihres Hühnerauslaufs mit Solarzellen bestücken. Die Hennen hätten darunter noch genug Bewegungsfreiheit im Schatten und wären gleichzeitig geschützt vor Raubvögeln. Doch das Amt sagt, das ist eine Doppelnutzung, und die ist nicht erlaubt. Das klingt nach einem Schildbürgerstreich. Und darf einfach nicht sein.

In Münsingen besuchen wir später noch die Backmanufaktur Café Moritz. Irene Schädle und ihr Lebensgefährte Claus Meyer betreiben die inzwischen schon seit zwölf Jahren zusammen – sie als Geschäftsführerin, er als Bäckermeister. Die Manufaktur ist letztlich eine große Küche mit Kühlung, Öfen, Vorratsschränken und Arbeitsflächen. Hier backt Meyer zusammen mit einem Gesellen, einem Auszubildenden und einer Konditorin, die gerade ihren Meister macht. Dabei entstehen Hochzeitstorten und Festtagstorten für alle Anlässe, die künstlerisch gestaltet sind und äußerst lecker aussehen. Die Backmanufaktur beliefert Hochzeiten auf dem Albgut bei Münsingen ebenso wie auf dem Hofgut Maisenburg, in Stuttgart, Tübingen oder auch schon mal am Bodensee. Das zweite Standbei ist das kleine Café mitten in der Stadt. Hier gibt es Kuchen und Eis für diejenigen, die es süß mögen, aber auch Seelchen oder Maultaschen für den herzhaften Geschmack. Und wenn Kinder sich ein Eis holen wollen, dann steht am Eistresen ein kleiner Tritthocker, so dass sie auf Augenhöhe ihre Eiskugeln aussuchen können.

Das dritte Standbein von Schädle und Meyer sind die selbstgebackenen Brote und Brötchen. Die gibt’s im Café, sie werden unter der Woche aber auch ausgefahren in die Umgebung. Und auch am Sonntag steht der Brötchenwagen in den Ortschaften, dann fährt er allerdings nicht von Haustür zu Haustür, sondern hat einen festen Standort. Neben diesen Touren bieten die umtriebigen Bäckersleute auch noch Frühstückscatering an, etwa für die Gäste, die im Albgut übernachten. Und zu guter Letzt gibt es auch noch ein Eisfahrrad, das für Veranstaltungen gebucht werden kann und selbstgemachtes Eis liefert. Meyer kauft für seine Backmanufaktur nur regionale Zutaten in der näheren Umgebung. Und natürlich geht er mit dem Trend: Schwarzwälder Kirschtorten sind eher out, allein schon, weil sie Alkohol enthalten. In dagegen sind vegane Torten oder Gluten freies Gebäck.

Am Abend sind wir dann noch – wie jedes Jahr – zum Dorffest nach Gomadingen gefahren und haben dort die grüne Landtagsabgeordnete Cindy Holmberg und andere alte Bekannte getroffen. Und natürlich gab es auch wieder das Entenrennen auf der Lauter.