Auch Lobbyarbeit gehört zu einem Geschäft, das im Regierungsviertel floriert. Am Donnerstag besuchten mich zwei Vertreter der Firma Bolt, die inzwischen auch in Deutschland über Plattformen Taxifahrten und Mietwagen vermittelt. Gegründet wurde das Unternehmen, das inzwischen in 40 Ländern weltweit agiert, 2013 von einem damals 19-jährigen Schüler in Talinn in Estland.
Und natürlich hatten die Public Policy Manager von Bolt auch ein handfestes Anliegen. In Brüssel wird derzeit nämlich eine EU-Richtlinie erarbeitet, die zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit beitragen soll. Denn viele Menschen, die auf Plattformen arbeiten, sind Soloselbstständige, die nur sehr ungenügend sozial abgesichert sind.
Der von der EU-Kommission erarbeitete Vorschlag der Richtlinie sieht hier vor, dass auf Plattformen Tätige den Plattformbetreiber verklagen können, sie sozialversicherungspflichtig zu beschäftigen. Gerichtlich muss dafür festgestellt werden, dass sie de facto gar nicht selbstständig sind. Denn Selbstständigkeit zeichnet sich durch bestimmte Freiheiten aus, die angestellte Beschäftigte nicht so ohne weiteres haben, z.B. die Möglichkeit, sich die Arbeit und die Arbeitszeiten frei zu organisieren, sich einen eigenen Kundenstamm aufzubauen oder Aufgaben annehmen aber auch ablehnen zu können. Treffen zwei von fünf in der Richtlinie genannten Kriterien zu, so plant es die EU-Kommission, dann kann das Gericht davon ausgehen, dass der Soloselbstständige beschäftigt werden muss, da er nur scheinselbstständig ist. Und da vor Gericht letztlich immer Beweise zählen, hat die EU-Kommission hier noch Beweislasterleichterungen festgeschrieben.
Der Vorschlag gefällt mir ausnehmend gut. Plattformbetreiber wie das Unternehmen Bolt sind dagegen alarmiert. Das kann ich ihnen nicht verdenken. Aber es kann auch nicht angehen, dass unsere Wirtschaft durch mehr und mehr Plattformarbeit immer mehr Soloselbstständige produziert und unser Sozialversicherungssystem dabei auf der Strecke bleibt.