10. August 2021 | swp.de
„Hartz IV muss überwunden werden“ (Bezahlschranke)
(…)
Frau Müller-Gemmeke, was möchten Sie in diesem Land verändern?
Ganz oben auf der Agenda steht der Klimaschutz. Dass es den Klimawandel gibt, ist klar. Nicht irgendwo auf der Welt, auch bei uns. Ich finde es dramatisch, wenn ich die Bilder von Waldbränden, Fluten und Überschwemmungen sehe. Das zeigt, dass wir so nicht weitermachen können. Wir brauchen einen Klimaschutz, der konsequent durchgesetzt wird.
Werden sich den alle leisten können?
Natürlich, denn Klimaschutz muss immer sozial flankiert werden. Ein wichtiger Baustein ist dabei unser Energiegeld, mit dem wir die Menschen beim steigenden CO2-Preis entlasten werden. Konkret werden wir die Einnahmen am Anfang des Jahres pauschal – pro Kopf – an die Menschen zurückgeben. Davon profitieren vor allem Haushalte mit kleinem Geldbeutel. Außerdem bin ich beispielsweise ein Fan von kollektiven Regelungen, etwa von Tarifverträgen und Mitbestimmung. Die Beschäftigten sollen die Möglichkeit haben, sich einzumischen. Die haben auch einen tariflichen Lohn verdient, von dem sie gut leben können. Die Corona-Pandemie hat mich darin bestärkt. Die Pandemie und ihre Folgen besiegen wir nur gemeinsam. Auch die Transformation vom Verbrennungsmotor zum Elektroantrieb bekommen nur Betriebsrat, Gewerkschaft und Unternehmen gemeinsam hin.
Viele Elektro-Autos benötigen viele Ladestationen.
In der Stadt kann ein gut funktionierender ÖPNV dafür sorgen, dass es weniger Autos gibt. Aber klar, wir brauchen das Auto, gerade im ländlichen Raum. Und dafür sind selbstverständlich ausreichend Ladestationen notwendig.
Elektro-Autos sind im Vergleich zu Verbrennern viel teurer.
Wir müssen dafür sorgen, dass Elektro-Autos für alle erschwinglich sind. Da wird viel passieren, wenn erst mal ein Markt entsteht. Es braucht aber auch Zuschüsse, und wer wenig verdient, soll natürlich mehr bekommen. Und wichtig ist auch die Infrastruktur. Am besten wäre es, wenn die Menschen ihre Autos tagsüber auf dem Parkplatz des Arbeitgebers aufladen könnten. Im Land der Tüftler sollten wir das hinkriegen.
Wird sich die Arbeitswelt stark verändern?
Durch die Digitalisierung und Transformation werden neue Arbeitsplätze entstehen, alte werden entfallen, viele Tätigkeiten werden sich stark verändern. Wir brauchen deshalb eine Weiterbildungs- und Qualifizierungsoffensive, um allen Chancen und Perspektiven zu eröffnen. Aber auch die Ansprüche an die Arbeitswelt verändern sich. Wir haben einen Selbstbestimmungs- und Freiheitsgedanken in unserem Modell der Arbeitsbeziehungen verankert. Wir wollen Zeitsouveränität ermöglichen, damit Arbeit besser ins Leben passt.
Wird sich das Home-Office etablieren und auch in Zukunft eine Alternative zum Büro bleiben?
Home-Office war während Corona wichtig. Es hat auch etwas mit Freiheit zu tun. Deshalb wird Home-Office auch wichtig bleiben. Für viele Beschäftigten sind Unternehmen mittlerweile nur dann attraktiv, wenn sie solche Freiheiten bei der Arbeitszeit ermöglichen. Home-Office macht auch ökologisch Sinn. In einer von Greenpeace in Auftrag gegebenen Studie heißt es, wenn 40 Prozent der Beschäftigten pro Woche zwei Tage im Home-Office bleiben, können in Deutschland fünf Millionen Tonnen CO2 eingespart werden.
Welches sozialpolitische Thema liegt Ihnen am Herzen?
Hartz IV. Wir wollen die darin verankerten Sanktionen abschaffen. Die Leistungen müssen vor Armut schützen, wir wollen eine Arbeitsförderung auf Augenhöhe. Wir drehen hier nicht nur an kleinen Schrauben. Wir wollen Hartz IV tatsächlich überwinden.
Wenn Sie regieren würden, was wäre für Sie besonders wichtig?
Wir dürfen nicht nur über Klimaziele reden, sondern müssen Maßnahmen auf den Weg bringen. Zum Beispiel verlässliche Rahmenbedingungen für die Automobilindustrie. Wir müssen insbesondere die erneuerbaren Energien entfesseln, alle Deckel und Bremsen beseitigen. Die Herstellung von Stahl und Zement beispielsweise müssen wir mit erneuerbaren Energien hinbekommen. Dafür benötigen wir grünen Wasserstoff. So wollen wir den Industriestandort Deutschland stärken, um Arbeitsplätze zu erhalten. Außerdem brauchen wir soziale Leitplanken in der Arbeitswelt. Wir werden Klimaschutzpolitik mit einer Politik für mehr soziale Gerechtigkeit verbinden. Das ist für mich zentral.
Das Gesundheitswesen steckt in einer Renditefalle. Müssen Krankenhäuser gewinnorientiert arbeiten?
Das kann nicht funktionieren, weder in Krankenhäusern noch in der Altenpflege. Die Menschen müssen im Mittelpunkt stehen. Wir laufen einem Pflegenotstand entgegen.
Was wollen Sie dagegen tun?
Die Gemeinwohlorientierung im Gesundheitswesen soll gestärkt und der Trend hin zu Privatisierung umgekehrt werden. Kliniken sollen nicht mehr nur nach Fallzahl, sondern auch nach ihrem gesellschaftlichen Auftrag finanziert werden. Wir wollen die Bürgerversicherung einführen. Alle, egal ob abhängig Beschäftigte, Selbstständige, Beamte oder Abgeordnete: Alle zahlen in ein System ein. Zudem müssen wir die Pflegeberufe attraktiver machen. Pflege, auch Altenpflege setzt eine dreijährige Ausbildung voraus. Die dort Beschäftigten tragen viel Verantwortung, verdienen aber viel weniger als andere in männerdominierten Berufen.
In Deutschland fehlen bezahlbare Wohnungen.
Ja, deswegen müssen welche gebaut werden. Deshalb wollen wir eine neue Wohngemeinnützigkeit einführen, damit mehr gebaut wird, mit Mieten, die bezahlbar bleiben. Wir setzen auf Innenverdichtung, um freie Flächen zu schonen. Die Mietpreisbremse muss geschärft und entfristet werden.
Man hat das Gefühl, diese Wahl entscheidet über mehr als nur über die Politik der kommenden Legislaturperiode.
Ja, es ist eine Richtungswahl. Das betrifft viele Bereiche. Klima, Pflege, Gesundheit, Wohnen, Gerechtigkeit. Das kann man gar nicht alles in vier Jahren abarbeiten. Da braucht es einen weiten Horizont. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir die richtigen Maßnahmen ergreifen. Faire Spielregeln, wenn es um Arbeit und soziale Absicherung geht, E-Autos und Wasserstoff-Antrieb für Lastwagen: Das wird viel entfesseln. Und, Fridays for Future zeigt es ja, die Jugend scheint begriffen zu haben, worum es geht. Es geht um ihre Zukunft.
Die Grünen sind auch eine Partei, die sich besonders für Rechte der Frauen einsetzt.
Ja, weil es noch immer Frauen gibt, die für die gleiche Arbeit schlechter bezahlt werden als Männer. Und, weil Frauen schwerer Zugang zu gut bezahlten Jobs haben. Und in den Führungsetagen sind sie auch weniger vertreten.
Wie sind Sie mit der Corona-Politik der derzeitigen Regierungskoalition zufrieden?
Anfangs waren wir in viele Entscheidungen eingebunden, auch als Oppositionspartei. Das war ja für alle neu. Dann hätten wir uns aber einen Plan gewünscht, der den Menschen Orientierung und Klarheit gibt. Und ein interdisziplinäres Gremium – ein Pandemierat – in dem alle Interessen und Bedarfe von Kinder, Familien, Wirtschaft, Gewerkschaften, Virologen und Psychologen vertreten werden. Dann wäre auch die Akzeptanz mancher Entscheidung an manchen Stellen größer gewesen. Den Lockdown light, wie wir ihn ab November 2020 erlebt haben, war in dieser Form falsch.
Was wäre die Alternative gewesen?
Ich stehe auf der Seite der Vorsichtigen, wir dürfen ja auch das Gesundheitssystem nicht kollabieren lassen. Aber man hätte es besser machen können. Beispielsweise gab es massive Einschränkungen im privaten Bereich, die Wirtschaft aber durfte weitermachen. Das Recht der Beschäftigten auf Home-Office war beispielsweise bis Februar 2021 nur ein Appell an die Arbeitgeber. Im Januar 2021 haben wir mit einem Antrag gefordert, dass die Unternehmen Home-Office ermöglichen müssen. Erst danach gab es endlich diese Verpflichtung. Aber ich bin und bleibe Optimistin. Corona hat wie ein Brennglas gezeigt, wo etwas nicht rund läuft. Daraus müssen wir lernen.
Sollen wir zwei Prozent des Bruttosozialprodukts für Militärausgaben bereitstellen, wie es die Nato vorsieht?
Nein, das brauchen wir nicht.
10. August 2021 | swp.de
Kandidierendencheck Bundestagswahl: Splitting hilft wenig (Bezahlschranke)
Fragen an Beate Müller-Gemmeke:
Beide Elternteile arbeiten, wer kümmert sich um die Kinder?
Eltern brauchen eine echte Wahlfreiheit, wie sie die Betreuung ihrer Kinder organisieren wollen. Dafür werden wir das Elterngeld auf 24 Monate ausweiten. Die Elternzeit kann dann flexibel bis zum 14. Geburtstag des Kindes genommen werden. Oft müssen Familien tagtäglich jonglieren, um ihren Kindern und ihrer Arbeit gerecht zu werden. Für eine bessere Vereinbarkeit brauchen wir qualitativ gute und verlässliche Ganztags-Kinderbetreuung in Kita und Grundschule. Zur Entspannung des Familienlebens trägt auch eine Erhöhung der Kinderkrankentage auf 15 Tage im Jahr pro Kind und Elternteil bei. Gerade für Alleinerziehende ist die Vereinbarkeit von Beruf und Kindern eine besondere Herausforderung. Sie leisten viel und sind trotzdem überproportional von Armut bedroht. Das ist seit Jahren bekannt und muss sich dringend ändern. Daher setzen wir auf die Kindergrundsicherung, von der insbesondere Alleinerziehende und geringverdienende Eltern profitieren. Gleichzeitig muss Arbeit möglichst flexibel organisiert werden können. Frauen wollen nicht weiter in der Teilzeitfalle stecken bleiben und Männer wollen nicht nur Wochenend-Väter sein. Deshalb brauchen wir mehr Zeitsouveränität. Wenn Arbeit beweglicher wird und besser ins Leben passt, dann ermöglicht dies Paaren ihre Erwerbstätigkeit partnerschaftlicher zu gestalten. Wir wollen Beschäftigten daher die Möglichkeit geben, Dauer, Lage und Ort ihrer Arbeitszeit mehr mitzubestimmen.
Ist das Ehegattensplitting noch zeitgemäß?
Das Ehegattensplitting ist dabei wenig hilfreich, denn es belohnt ungleiche Einkommen und verhindert damit eine gerechte Aufteilung der Sorgearbeit. Wir wollen nicht die Ehe an sich, sondern Kinder fördern, damit auch unverheiratete Paare oder Alleinerziehende davon profitieren. Neben der Kindergrundsicherung wollen wir deshalb für neu geschlossene Ehen eine individuelle Besteuerung mit übertragbarem Grundfreibetrag einführen. Bereits bestehende Ehen können sich frei entscheiden, ob sie wechseln oder beim derzeitigen Splitting bleiben. Die Lohnsteuerklasse V werden wir abschaffen, damit die Steuerbelastung gleichmäßiger und gerechter zwischen den Partnern verteilt wird.
5. August 2021 | swp.de
Kandidierendencheck Bundestagswahl: Für echten Wandel (Bezahlschranke)
Fragen an Beate Müller-Gemmeke:
Wie stehen Sie zur Grundrente?
Die von der Koalition eingeführte Grundrente war ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Aber sie schützt Rentner nicht ausreichend vor Armut, weil die Zugangshürden zu hoch sind. Deshalb wollen wir die Grundrente zu einer echten steuerfinanzierten Garantierente weiterentwickeln. Danach würden diejenigen, die auf 30 Versicherungsjahre kommen, heute rund 1000 Euro erhalten, ohne Bedürftigkeitsprüfung. Bei unserer Garantierente werden neben den Jahren, in denen in die Rentenkasse eingezahlt wurde, auch Versicherungszeiten ohne Beitragszahlung berücksichtigt, etwa die Zeiten der Kindererziehung oder Pflege, Schwangerschaft und Mutterschutz. Von unserer grünen zielgenauen und unkomplizierten Garantierente werden insbesondere Frauen profitieren. Geringverdienende wollen wir zudem mit einem arbeitgeberfinanzierten Mindestrentenbeitrag effektiv vor Altersarmut schützen. Unternehmen in Niedriglohnbranchen sollen ihre Zahlungen für Beschäftigte an die Rentenkasse aufstocken. Die Menschen wären dann im Alter nicht mehr auf Sozialleistungen angewiesen. Nach 45 Beitragsjahren ergäbe das eine Rente von derzeit rund 1230 Euro.
Brauchen Konzerne eine Frauenquote?
Freiwillige Regelungen zur Erhöhung des Frauenanteils in den Vorstandsetagen von Konzernen bringen überhaupt nichts, das sehen wir überdeutlich. Deutschland ist hier noch immer absolutes Schlusslicht in Europa. Dabei macht es einen maßgeblichen Unterschied, wenn es Frauen in Entscheidungspositionen gibt. Studien zeigen, dass Unternehmen mit einem höheren Frauenanteil wirtschaftlich erfolgreicher und innovativer sind, weil gemischte Teams viele verschiedene Perspektiven diskutieren und am Ende bessere Entscheidungen treffen. Dafür braucht es mindestens eine „kritische Masse“ von einem Drittel Frauen. Die letzte Gesetzesänderung der Großen Koalition zu diesem Thema war ambitionslos und wird keine Verbesserungen bringen. Wir Grünen setzen uns für einen echten Wandel ein. Bei künftigen Neubesetzungen der Vorstandssitze in größeren und börsennotierten Unternehmen soll mindestens ein Drittel der Sitze an Frauen gehen. In den Aufsichtsräten wollen wir einen Frauenanteil von 40 Prozent festlegen.
4. August 2021 | Reutlinger Generalanzeiger
Was die Reutlinger Grünen-Kandidatin Beate Müller-Gemmeke ändern möchte (Bezahlschranke)
»Die Mitte fehlt.« Reutlingens grüne Bundestagskandidatin und Mandatsträgerin Beate Müller-Gemmeke wirkt nachdenklich. Mit »Mitte« meint sie kein politisches Lager, sondern das Zentrum der Gesellschaft, in dem sich noch bis vor Kurzem zahlreiche kritische Geister tummelten, die zwar zuweilen mit den Verhältnissen haderten und dies auch Kund taten – allerdings ohne dabei ehrverletzende Attacken zu reiten. (…) Bislang kannte Beate Müller-Gemmeke derlei Gebahren lediglich aus Posts in den Sozialen Netzwerken, (…). Doch nun haben sich die digitalen Kanäle offenbar für die analoge Welt geöffnet. »Das bereitet mir Sorge.« Bloß, was dagegen tun? »Wegducken wäre die falsche Reaktion«, findet die studierte Sozialpädagogin. Besser sei es, klare Kante zu zeigen und unverdrossen das Gespräch zu suchen. Bisweilen sogar erfolgreich. Denn, wenn sich frustrierte Menschen trotz zunächst poltrigen Auftretens mit ihren Anliegen ernst- und angenommen fühlen, entspinnen sich zuweilen eben doch konstruktive Diskussionen, die beiden Seiten Erkenntnisgewinn bringen. Ein gewichtiges Thema solcher Zwiegespräche ist die soziale Benachteiligung.
3. August 2021 | Reutlinger Generalanzeiger
2. August 2021 | swp.de
2021 waren Müller-Gemmeke und ihr Gefolge nicht nur mit dem Rad, sondern auch mit dem Kanu, der Kutsche und der Albbahn unterwegs. Dieses Mal hatten die Älbler erstmals die Möglichkeit, die Grünen-Politikerin an festen Orten zu treffen und sich mit ihr auszutauschen. Unter dem Motto „Auf ein Wort“ sprach sie in Münsingen, Hayingen, Gomadingen, Undingen und Zwiefalten, „einmal mit mehr, einmal mit weniger Menschen“, über Themen wie Soziales, Landwirtschaft, Tourismus, Energie, Verkehr und Wirtschaft. (…) Überall auf der Albtour war, neben dem Klimaschutz, natürlich die Pandemie Dauerthema. „Das treibt die Menschen verständlicherweise nach wie vor um. Viele sind ganz gut durchgekommen“, so die Politikerin. Aber sie hat auch erfahren, dass teilweise die wirtschaftlichen Hilfen noch nicht angekommen seien. (…) Gastronomen haben ihr ebenfalls ihr Leid geklagt. Corona habe viele Mitarbeiter der Branche zu Arbeitsplatzwechseln gezwungen. Nach dem Lockdown sei die Personalnot auch auf der Mittleren Alb groß. Solche Gespräche seien wichtig für die politische Arbeit, sagte Müller-Gemmeke in Buttenhausen.
2. August 2021 | swp.de
Kandidierendencheck Bundestagswahl: Flächenfraß stoppen (Bezahlschranke)
Fragen an Beate Müller-Gemmeke:
Wohnraum: Wo soll er entstehen, wer soll ihn finanzieren?
Bezahlbares Wohnen muss für alle möglich sein. Und der Bund ist in der Pflicht, dafür die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen. Deshalb werden wir die Mittel für den sozialen Wohnungsbau deutlich erhöhen und verstetigen. Die Abschaffung der alten Wohngemeinnützigkeit durch Union und FDP war eine der größten wohnungspolitischen Fehlentscheidungen. Und die werden wir korrigieren. Wir Grüne werden mit einem Bundesprogramm „Neue Wohngemeinnützigkeit“ für eine Million zusätzliche, günstige und dauerhafte Mietwohnungen in den Ballungsräumen sorgen. Wir werden die Mietpreisbremse entfristen und unnötige Ausnahmen beenden. Reguläre Mieterhöhungen sollen auf 2,5 Prozent im Jahr innerhalb des Mietspiegels begrenzt werden. Außerdem sollen bundeseigene Bestände an Immobilien beziehungsweise Bauland nicht mehr privatisiert, sondern ausschließlich verbilligt an Kommunen mit dauerhafter Sozialbindung abgegeben werden. Von all diesen Maßnahmen profitieren alle, die es mit kleinem Einkommen heute schwer haben, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Auch beim Wohnraum muss es Maßnahmen für mehr Klimaschutz geben. Mit einem Klimawohngeld und Steuervergünstigungen wollen wir die Kosten für Klimamodernisierungen für alle bezahlbar und wirtschaftlich machen. Die Kosten durch den CO2-Preis muss der Vermieter übernehmen, da er darüber entscheidet, ob die Wohnung saniert wird.
Innenverdichtung in Städten und Gemeinden: Fluch oder Segen?
Zunehmende Neubauviertel im Umland von Städten und Gemeinden führen mittlerweile zu einem enormen Flächenfraß, der gestoppt werden muss. Die Bundesregierung hat sich verpflichtet, diesen Flächenverbrauch in Deutschland bis zum Jahr 2030 auf 30 Hektar und bis 2050 auf null zu reduzieren. Aber davon sind wir weit entfernt. Auch für lebendige Innenstädte ist das kontraproduktiv: Denn oft wird im Umland gebaut, und gleichzeitig veröden die Ortskerne. Die Innenverdichtung von Städten ist deshalb ökologisch und städtebaulich absolut sinnvoll. Natürlich muss dabei darauf geachtet werden, dass Grünflächen erhalten bleiben und ausgebaut werden. Nur so wird das Stadtklima langfristig verbessert. Und das brauchen wir in Zeiten der Klimakrise.
31. Juli 2021 | Schwäbisches Tagblatt
Mit Engelszungen: Von der Klimakrise bis zum Tierwohl (Bezahlschranke)
Bei ihrer Albtour im vergangenen Jahr hat sich alles um Corona gedreht. Auch in diesem Sommer ist die Pandemie noch präsent, aber sie dominiert nicht mehr alle Gespräche. Und Beate Müller-Gemmeke, die nun schon seit 12 Jahren allsommerlich mit ihrem grünen Team über die Alb radelt, Firmen und Höfe besucht und den Kontakt mit der Bevölkerung sucht, hat sich darauf eingestellt.
Die Leute seien schon noch sehr vorsichtig, meint die Grüne, die seit 2009 im Bundestag sitzt und nun zum dritten Mal wiedergewählt werden möchte. Veranstaltungen in geschlossenen Räumen könne man vergessen. Deshalb lädt sie die Bürgerinnen und Bürger „auf ein Wort“ ein. An einem zentralen Platz stellt ihr Team den grünen Sonnenschirm auf und platziert fünf Gartenstühle um einen kleinen Holztisch. (…) Es ist kühl, und kaum hat sich die Bundestagsabgeordnete zu ihren Flyern unter den Schirm gesetzt, beginnt es auch schon zu nieseln. Der Andrang wird sich heute wohl in Grenzen halten. (…) Die Menschen treiben die Wetterextreme um. Auf der Schwäbischen Alb war gerade wieder ein Hagelunwetter – es ist nicht das erste in diesem Sommer. Auch die Themen „rund ums Tierwohl“ beschäftigen die Älbler. Vor allem auch jene, die selbst ihren Lebensunterhalt mit Tieren verdienen. Mehrfach, sagt Müller-Gemmeke, sei sie in diesem Jahr von Bauern auf die unsägliche Praxis angesprochen worden, dass junge Kälber bereits im Alter von 14 Tagen zur Mast nach Nordrhein-Westfalen oder sogar nach Spanien gekarrt werden. Eigentlich, findet sie, sollte es so sein, dass ein Kalb nicht transportiert wird, solange es noch Milch trinkt.