Während der Debatte um die Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes forderte Bundesarbeitsministerin von der Leyen die Tarifpartner der Branche auf, eine Equal-Pay-Lösung zu verhandeln. Sollten die Verhandlungen scheitern, kündigte die Ministerin eine gesetzliche Regelung an. Die IG-Metall hat sich der Herausforderung gestellt und seit November gelten die ersten Branchenzuschläge. Nicht alle Leiharbeitskräfte profitieren aber von den Branchenzuschläge und es gibt auch erste Anzeichen, dass die Branchenzuschläge umgangen werden und deshalb habe ich mit einer Kleinen Anfrage bei der Bundesregierung nachgefragt.
Es steht außer Frage, dass die IG Metall sehr gut verhandelt hat und die Regelungen zu spürbar höheren Löhnen für die Leiharbeitskräfte führen. In der Folge haben auch die Chemische Industrie, die Kunststoff verarbeitende Industrie und die Kautschuk-Industrie analoge Branchenzuschläge verhandelt. Diese sehen einen nach Einsatzdauer gestaffelten Branchenzuschlag auf den Grundlohn vor – in Höhe von 15 Prozent nach einer Mindesteinsatzdauer von sechs Wochen bis 50 Prozent nach neun Monaten. Dennoch muss festgestellt werden, dass die Branchenzuschläge nicht für alle Leiharbeitskräfte gleichermaßen gelten. So haben relevante Branchen noch keine Regelung vereinbart. Zudem greifen die Branchenzuschläge nicht, wenn die Leiharbeitskräfte im Betrieb weniger als 6 Wochen eingesetzt werden. Vor allem aber muss gewährleistet werden, dass die Branchenzuschläge auch wirklich umgesetzt werden.
Mit der Kleinen Anfrage sollte grundsätzlich geklärt werden, wie viele Leiharbeitskräfte überhaupt von den Branchenzuschlägen profitieren werden. Durch die Antworten der Bundesregierung konnte aber lediglich geklärt werden, wie viele Leiharbeitskräfte bei Firmen arbeiten, die den großen Arbeitgeberverbänden in der Leiharbeit (IGZ und BAP) angehören und zwar 69%. Der Bundesregierung ist aber nicht bekannt, nach welchen Tarifverträgen die restlichen 31% der Leiharbeitskräfte entlohnt werden. Das ist nicht nachvollziehbar, denn Leiharbeitsfirmen dürfen nur mit einem Tarifvertrag vom Equal-Pay-Grundsatz des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes abweichen. Wenn nicht bekannt ist, welche Tarifverträge gelten, dann kann aber auch nicht kontrolliert werden. In der Folge sind 273.000 Leiharbeitskräfte den Verleihfirmen schutzlos ausgeliefert. Sicher ist einzig allein, dass sie keinen Anspruch auf Branchenzuschläge haben. Wir Grünen kritisieren das – die Bundesregierung nimmt dies leidenschaftslos und kommentarlos hin.
Weiter wollten wir wissen, wie viele Leiharbeitskräfte in Branchen arbeiten, die von den verhandelten Branchenzuschlägen der IGZ und BAP grundsätzlich profitieren und wie viele davon überhaupt länger als 6 Wochen eingesetzt werden und die erste Stufe der Branchenzuschläge tatsächlich erhalten. Nur mit diesen Informationen kann beurteilt werden, ob die Branchenzuschläge einer Equal Pay-Regelung gerecht wird. Die Bundesregierung kann aber all diese Fragen nicht beantworten. Sie weiß weder, wie viel Leiharbeitskräfte in den Branchen arbeiten, noch kennt sie anscheinend die Verweildauer der Leiharbeitskräfte. Die Bundesregierung versteckt sich hinter der Aussage – noch seien die Verhandlungen nicht abschlossen und es lägen keine Erfahrung über die Anwendung der Branchenzuschläge vor. Das ist nicht akzeptabel und zeigt, dass bei der Bundesregierung kein ernsthaftes Interesse an einer flächendeckenden Umsetzung der Branchenzuschläge besteht.
Branchenzuschläge können umgangen werden – darin sind sich viele Experten einig – durch kurze Verleihphasen, Scheinwerkverträge oder beispielsweise indem Tarifverträge ohne Branchenzuschläge angewandt werden. Deshalb haben wir nach einer Einschätzung der Bundesregierung gefragt. Die Antwort ist ernüchternd. So schreibt die Bundesregierung: „Soweit es sich um berechtigte Befürchtungen handelt, werden diese von der Bundesregierung ernst genommen. Zunächst müssen Erfahrungen mit den Branchenzuschlagstarifverträgen gesammelt werden.“ Aber auf die Frage, ob sie eine Evaluation der Branchenzuschläge plant, antwortet die Bundesregierung: „die Evaluation der Anwendung von Tarifverträgen ist primär Aufgabe der tarifschließenden Organisationen“. Damit verfährt die Bundesregierung wieder einmal nach dem Grundsatz „Augen zu und durch“. Und das wird der Verantwortung gegenüber den Leiharbeitskräften nicht gerecht.
Mein Fazit: Der Tarifvorrang in der Leiharbeit war eine politische Entscheidung. Deshalb kann die Umsetzung von Equal Pay nicht allein den Tarifpartnern überlassen werden. Wenn neue Regeln umgesetzt werden, muss bereits in der Umsetzungsphase korrigierend eingegriffen werden. Aber dazu muss sich die Bundesregierung mit der Branche beschäftigten, Umgehungsmöglichkeiten frühzeitig erkennen und das geht auch nur durch Kontrollen und einem eindeutigen Anspruch auf Equal Pay. Aber genau dieser Schutzfunktion gegenüber den Leiharbeitskräfte wird die Bundesregierung nicht gerecht.
Wir Grünen wollen flächendeckend Equal Pay in der Leiharbeit. Können die Branchenzuschläge dies zukünftig nicht garantieren, dann setzen wir weiter auf eine gesetzliche Regelung.