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01.03.2013

Kleine Anfrage: Vermittlung der Bundesagentur für Arbeit in Leiharbeit

Die Kernaufgabe der Bundesagentur für Arbeit ist die Vermittlung in Arbeit und diese Vermittlung soll nachhaltig und dauerhaft erfolgen. Seit der Reform der Arbeitnehmerüberlassung greift die BA vermehrt auf Stellenangebote von Leiharbeitsunternehmen zurück. Der Vorsitzende Frank-Jürgen Weise sieht neuerdings „Fehlentwicklungen“ bei der Zusammenarbeit der Arbeitsagentur mit Zeitarbeitsfirmen, die korrigiert werden müssten (Die Welt, 12. Januar 2013). Ich habe nachgefragt.

In der Kleinen Anfrage wollten wir von der Bundesregierung wissen, in welcher Größenordnung in die Leiharbeit vermittelt wird und wie es dabei mit der Nachhaltigkeit aussieht. Denn neben niedrigeren Löhnen bedeutet die Leiharbeit insbesondere Unsicherheit, weil für rund 50% der Leiharbeitskräfte ein Job in der Leiharbeit nicht länger als 3 Monate dauert. In der Antwort schreibt die Bundesregierung, dass 2012 im Jahresdurchschnitt 34 Prozent der bei der BA gemeldeten Stellen aus der Leiharbeit stammten. Von den insgesamt 2,02 Mio. Stellenangeboten kamen also 678.000 aus der Leiharbeitsbranche. Aus den Statistiken geht hervor, dass der Anteil an allen gemeldeten Stellen von 2006 bis 2012 um 9 Prozent angestiegen ist. Vor dem Hintergrund, dass der Anteil der Leiharbeit im Jahr 2012 bundesweit bei 2,7% lag, sind die gemeldeten durchschnittlichen Stellenangebote in Höhe von 34 Prozent nicht akzeptabel. Das zeigt sehr eindrücklich, dass für viele Erwerbslose häufig keine Wahl besteht – es bleibt nur die Leiharbeit.

Bemerkenswert ist aber nicht nur der Anstieg sondern insbesondere auch die regionale Verteilung. Am niedrigsten war der Anteil der neu gemeldeten Stellen aus der Leiharbeit 2006 mit 18,5 Prozent und 2012 mit 26,8 Prozent in Berlin-Brandenburg. In einer Region, in der der Dienstleistungssektor sehr dominant und die Lohnstruktur eher niedrig ist. Spitzenreiter Baden-Württemberg hatte 2006 einen Anteil von 29,1 Prozent und 2012 einem Anteil von 38,5 Prozent an den neu gemeldeten Stellen. Das ist eine Steigerung um 11,5 Prozent, während in Berlin-Brandenburg die gemeldeten Stellen aus der Leiharbeit nur um 5 Prozent gegenüber 2006 zugenommen haben. In Baden-Württemberg ist also ein deutlicher Anstieg nach der Wirtschaftskrise zu erkennen. Es scheint so, als ginge der Beschäftigungsaufbau vermehrt in die Leiharbeit.

Zu der Frage, wie viele Arbeitslose die BA in Leiharbeit vermittelt hat, konnte die Bundesregierung keinerlei Auskunft geben. Externe Erhebungen zeigen aber, dass mehr als 50 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse in der Leiharbeit weniger als 3 Monate andauern – viele Leiharbeitskräfte werden also schnell wieder arbeitslos. Vor diesem Hintergrund ist es unverständlich, dass die BA keine Veranlassung sieht, Daten für die Vermittlung in Leiharbeit zu erheben.

Weiter schreibt die Bundesregierung, dass die BA sowohl auf Bundes- als auch auf regionaler Ebene mit Leiharbeitsunternehmen kooperieren und ihnen einen exklusiven Zugang zum Stellenpool gewährt. Die bundesweiten Kooperationen mit Leiharbeitsunternehmen wurden stetig erhöht von 15 im Jahr 2007 auf 216 im Jahr 2012. Das ist eine Steigerung um gut das 16 fache. Besonders hoch sind die regionalen Kooperationsvereinbarungen, von denen es 2007 bereits 1.511 gab und die bis 2010 nochmals um 617 weitere Kooperationsvereinbarungen ausgeweitet wurden. Diese Entwicklung zeigt eindeutig eine Konzentration der Vermittlung auf die Leiharbeit. Es scheint, als ob ausschließlich die Vermittlungsquote im Mittelpunkt steht. Nachhaltige Vermittlung sieht aber anders aus!

Der direkte Weg in Arbeit ist immer mehr verschlossen, deshalb haben wir die Bundesregierung gefragt, worin die Gründe liegen für die steigende Bedeutung der Leiharbeit bei der Arbeitsvermittlung. Lapidar antwortet die Bundesregierung darauf, „ dass viele Unternehmen Zeitarbeit als flexible Personalgröße fest einkalkulieren. … Aufgrund des Geschäftssystems der Zeitarbeitsunternehmen ergibt sich dadurch eine erhöhte Bewegung im Bereich des Personals.“ Damit zeigt auch die Bundesregierung wenig Interesse an einer nachhaltigen Vermittlung von Erwerbslosen. Für die Beschäftigten bedeutet dies Unsicherheit bei der Lebensplanung. Das kümmert die Bundesregierung aber wenig – die Flexibilität der Unternehmen aber interessiert sie schon. Wir fordern deshalb weiterhin Equal Pay ab dem ersten Tag, damit Leiharbeit wieder ausschließlich zum Abdecken von Auftragsspitzen genutzt wird.

Abschließend führt die Bundesregierung aus: „Höher qualifizierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nutzen dagegen häufiger Onlinekanäle, orientieren und bewerben sich selbständig und sind weniger auf die Unterstützung durch die Bundesagentur für Arbeit angewiesen.“ Das kann nur als zynisch bezeichnet werden. Gerade diejenigen, die nicht zu den Höher-Qualifizierten gehören, sollten nachhaltig von der BA unterstützt werden und nachhaltig bedeutet Vermittlung in ein sicheres und fair entlohntes Arbeitsverhältnis. Der Vorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, hat also Recht – die „Fehlentwicklungen“ bei der Vermittlung in Leiharbeit müssen korrigiert werden.

Wir haben auch nachgefragt, wie viele sozialversicherungspflichtige Leiharbeitskräfte aufstockendes Arbeitslosengeld II beziehen. Im Juni 2012 waren dies laut Bundesregierung 49.451 Personen. Nach eigener Recherche haben in diesem Zeitraum insgesamt 585.177 Personen sozialversicherungspflichtig gearbeitet und ergänzendes Arbeitslosengeld II bezogen. Daraus folgt, dass 8,5% der sozialversicherungspflichtigen AufstockerInnen Leiharbeitskräfte waren. Die Leiharbeit aber hat relativ konstant nur einen Anteil von 2,7% an der gesamten Beschäftigung in Deutschland.

Im Jahr 2011 gab es 54.620 Bedarfsgemeinschaften mit mindestens einem Beschäftigten in der Leiharbeit. Dazu schreibt die Bundesregierung: „Gründe für den gleichzeitigen Bezug von Grundsicherungsleistungen und Erwerbseinkommen liegen vor allem im Arbeitsumfang (Teilzeit-bzw. geringfügige Beschäftigung) …“ Die vorgelegten Zahlen sprechen aber eine andere eindeutige Sprache – denn rund 86% der AufstockerInnen in der Leiharbeit arbeiten Vollzeit! Die Kosten für den Staatshaushalt betrugen 2011 rund 347 Millionen Euro. Das Risiko, zu den Hilfebedürftigen zu gehören, ist also in der Leiharbeit noch immer höher – mit negativen Auswirkungen auf den Sozialhaushalt.

Kleine Anfrage
Anlage Antwort
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Pressebericht „die tageszeitung“