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Parteitag: Jede Zeit hat ihre Farbe
Eigentlich sollte unser Parteitag in diesem Jahr dort stattfinden, wo wir Grünen uns vor 40 Jahren gegründet haben, in Karlsruhe. Doch aufgrund der Pandemie tagten wir digital. Aus mehr als 800 Wohn- und Arbeitszimmern wurden die Delegierten zugeschaltet. Nur der Parteivorstand und das Präsidium waren in der Sendezentrale im Berliner Tempodrom. Mein Selfie hatte ich verschickt. Damit war auch ich auf der Delegierten-Wand. Die Technik hat großartig funktioniert. Aber mir haben die interessanten Gespräche und die vielen tollen Leute gefehlt.
„Jede Zeit hat ihre Farbe und Menschen, die sie lebendig machen“ So lautete das Motto unserer diesjährigen Bundesdelegiertenkonferenz. Und gleich zu Beginn gab es zwei richtig gute Grundsatzreden: Annalena Baerbock machte deutlich, dass unser Demokratieverständnis immer auf Augenhöhe beginnt, als sie zutreffend sagte: „Es braucht Respekt vor unterschiedlichen Meinungen, und wir müssen bereit sein, leise Stimmen auch laut zu stellen.“ Auch Robert Habeck warnte vor einer Spaltung unserer Gesellschaft in der Corona-Krise. Denn die Pandemie verstärkt Fliehkräfte, vergrößert soziale Kluften und steigert die Gereiztheit. Der gemeinsame Grund unserer Gesellschaft ist „ausgetrocknet“, sagte er, und hat „Risse bekommen.“ Bei uns darf sich nicht, wie in den USA, ein Graben bilden, „ der das Land in zwei Hälften teilt“. Es ist daher unsere Aufgabe, eine Politik zu formen, „die die Systeme unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens neu eicht“. Denn: „Wir sind eine Gesellschaft der vielen, aber eben eine Gesellschaft“.
Wir haben sehr grundsätzlich vieles diskutiert in diesen zweieinhalb Tagen. Und viele gute Themen haben Eingang in unser Grundsatzprogramm gefunden, etwa die Stärkung der Tarifbindung, der Sozialpartnerschaft und der Mitbestimmung. Mehr als 20 Stunden habe ich vor meinem Laptop gesessen und abgestimmt, mitdiskutiert, zugehört und, manchmal gebangt und gehofft. Beispielsweise als es ums Grundeinkommen ging. Im neuen Grundsatzprogramm der Grünen steht jetzt, dass wir mit einer Garantiesicherung Hartz IV überwinden wollen. Außerdem steht da schwarz auf weiß: „Existenzsichernde Sozialleistungen sollen Schritt für Schritt zusammengeführt und langfristig soll die Auszahlung in das Steuersystem integriert werden. So schaffen wir einen transparenten und einfachen sozialen Ausgleich. Verdeckte Armut wird überwunden. Dabei orientieren wir uns an der Leitidee eines Bedingungslosen Grundeinkommens.“ 2007 habe ich den ersten Antrag auf der damaligen BDK in Nürnberg eingebracht. Für diese Sache habe ich also 13 Jahre lang gestritten. Es hat sich wirklich gelohnt, hier am Ball zu bleiben.
