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22.10.2024

Rede: AfD-Antrag zum Bürgergeld

Wir mussten zu einem Antrag der AfD zur aktiven Arbeitsmarktpolitik – zum Bürgergeld – reden. So einen Antrag braucht es definitiv nicht im Hohen Haus und es macht auch wahrlich schlechte Laune, zu so einem Antrag reden zu müssen. Denn dieser Antrag ist durch und durch menschenfeindlich. Die AfD will Menschen aussortieren und bezeichnet sie als Sozialfälle. Der AfD geht es nicht um die Menschen, sondern nur um ihre Verwertbarkeit. Dieser Antrag ist nur schwer zu ertragen. Er macht deutlich, warum die AfD nie regieren darf.

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:
Die nächste Rednerin ist Beate Müller-Gemmeke für Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen und Gruppen! Sehr geehrte Gäste!
Mit diesem Antrag will die AfD entsprechend ihrem unsäglichen Menschenbild Erwerbslose, die Bürgergeld bekommen, neu sortieren. Die einen sollen einfach in die Sozialhilfe verschoben werden – für die AfD sind das, das wurde mehrmals gesagt, Alleinerziehende, Menschen, die ihre Angehörigen pflegen, Erwerbslose mit gesundheitlichen Problemen, auch wenn sie nur vorübergehend nicht arbeiten können –, die anderen Erwerbslosen will die AfD, weil sie anscheinend ohne Probleme arbeiten könnten, nicht weiter unterstützen, sondern über eine Form von Zwangsarbeit zur Bürgerarbeit verpflichten. Das ist menschenverachtend, und diesen Antrag werden wir ablehnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Enrico Komning [AfD]: Was erzählen Sie für einen Unsinn? „Zwangsarbeit“! Also bitte schön!)

Auch die Begründung der AfD, warum sie die Menschen verschieben will, ist nur schwer zu ertragen.

(Norbert Kleinwächter [AfD]: Wir wollen keine Menschen verschieben! Wir wollen sie ins Arbeitsleben integrieren!)

Denn die AfD bezeichnet Erwerbslose, die Kinder betreuen, Angehörige pflegen oder vorübergehend gesundheitliche Probleme haben, als – Zitat – „Sozialfälle, die die Integrationsfachkräfte von ihrer eigentlichen Aufgabe … ablenken“. Die AfD will diese Menschen einfach verschieben,

(Norbert Kleinwächter [AfD]: Wir wollen keine Menschen verschieben!)

sie in die Sozialhilfe – Zitat – „überführen“. Das zeigt: Der AfD geht es gar nicht um die Menschen, sondern nur um ihre Verwertbarkeit. Wer nicht passt, wer nicht funktioniert, wird ausgegrenzt. Empathie, Respekt, Würde – das kennt die AfD definitiv nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Pascal Kober [FDP] – Leif-Erik Holm [AfD]: Das ist doch wirres Zeug, was Sie erzählen! – Zuruf des Abg. Norbert Kleinwächter [AfD])

In der sogenannten „Arbeitsuchenden-Hilfe“ soll es dann laut AfD nur noch die Erwerbslosen geben, die innerhalb einer Zweiwochenfrist in eine Arbeit vermittelt werden können. Damit zeichnet die AfD ein Bild, das schlichtweg falsch ist; denn die Menschen passen eben nicht einfach so in enge Schubladen. Es gibt nicht nur schwarz oder weiß, krank oder nicht krank, erwerbsfähig oder nicht erwerbsfähig.

(Norbert Kleinwächter [AfD]: Das unterscheidet das Gesetz!)

Egal was die AfD fordert: Deshalb würden sich die Menschen nicht sofort verändern – auch nicht deren Lebenssituation und auch nicht der Unterstützungsbedarf. Die Menschen brauchen – egal wo sie von der AfD hinsortiert werden – Unterstützung.
Alle außer der AfD wissen, dass offene Stellen nicht einfach so mit langzeitarbeitslosen Menschen besetzt werden können, und zwar aus ganz unterschiedlichen Gründen, beispielsweise weil zwei Drittel der langzeitarbeitslosen Menschen gar keine Ausbildung haben. Sie müssen erst einmal qualifiziert werden. Sie brauchen Ausbildung und Weiterbildung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Auch das interessiert die AfD kein bisschen. Sie bezeichnet sogar erfolgreiche Integrationsmaßnahmen als – Zitat – „nicht zielführend“ und will sie komplett abschaffen. Das zeigt sehr deutlich: Bei der Arbeitsmarktpolitik, wie bei vielen anderen Themen auch, wird die AfD den Herausforderungen in keiner Weise gerecht. Auch die Ausgestaltung der sogenannten „Arbeitsuchenden-Hilfe“ ist nur schwer zu ertragen. Die AfD möchte die Menschen, wenn sie nach sechs Monaten noch immer arbeitslos sind, zur Bürgerarbeit verpflichten – natürlich ohne Lohn und als Voraussetzung für Leistungen. Flankiert werden soll das mit krassen Sanktionen. Und wenn Erwerbslose mit ausländischer Staatsbürgerschaft die Bürgerarbeit nicht mitmachen, dann werden sie laut AfD „der Abschiebung zugeführt“.
Das alles geht gar nicht. Das ist menschenfeindlich und widerspricht im Übrigen auch unserem Grundgesetz; denn die Sanktionen wurden ja vom Bundesverfassungsgericht begrenzt.

(Enrico Komning [AfD]: Na, Sie haben ja eine Ahnung vom Grundgesetz! Sie haben eine Ahnung vom Grundgesetz! – Gegenruf der Abg. Annika Klose [SPD]: Sie haben keine!)

In der Begründung steht sinngemäß, dass die Menschenwürde garantiert ist und nicht erarbeitet werden muss. Und das ist gut so.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Pascal Kober [FDP])

Die AfD suggeriert mit dem Antrag auch wieder, dass langzeitarbeitslose Menschen eigentlich gar nicht arbeiten wollen. Das ist verantwortungsloser Populismus. Das macht was mit den Menschen, die auf Bürgergeld angewiesen sind, und das macht auch was mit unserer Gesellschaft. Es kommt was ins Rutschen, wo eigentlich Solidarität notwendig wäre.

(Zuruf von der AfD: Realitätsfremd!)

Und es ist vor allem perfide; denn es gibt vielfältige Gründe, warum Menschen langzeitarbeitlos werden. Arbeitslosigkeit macht im Übrigen auch etwas mit den Menschen. Viele trauen sich mit der Zeit nichts mehr zu.

(Norbert Kleinwächter [AfD]: Deshalb brauchen sie die Bürgerarbeit, Frau Müller-Gemmeke! Dazu ist die doch da! Dazu schlagen wir sie vor!)

Es gibt über Jahre keine positiven Erfahrungen. Und da hilft weder Druck noch Ausgrenzung noch Stigmatisierung, sondern nur individuelle und passende Unterstützung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Diese Unterstützung ist notwendig, und zwar für alle Erwerbslosen, unabhängig davon, ob sie im Moment arbeiten können oder nicht. Denn Erwerbsarbeit sorgt eben nicht nur für Einkommen, sondern sie bedeutet auch mehr für die Menschen: gesellschaftliche Teilhabe, soziale Kontakte, Wertschätzung, Anerkennung, Würde.

Deshalb darf niemand einfach so beiseitegeschoben werden, wie die AfD das heute mit ihrem Antrag vorschlägt. Es geht um Menschen und nicht um Sozialfälle. Arbeitsmarktpolitik muss die Menschen im Blick haben. Sie alle haben Stärken und auch Schwächen und müssen entsprechend unterstützt, begleitet und natürlich auch qualifiziert werden.
Eigentlich müssten wir genau das Gegenteil von dem machen, was die AfD fordert. Wir müssten alle Menschen in die aktive Arbeitsmarktpolitik mit einbeziehen, also auch die Menschen in der heutigen Sozialhilfe; denn alle Menschen brauchen Chancen und Perspektiven.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Mit dem Antrag wird deutlich, mit welchem Menschenbild die AfD Politik macht. Sie stigmatisiert, grenzt aus und ist durch und durch –menschenfeindlich. Und das macht deutlich, warum die AfD nie regieren darf.

Vielen Dank

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