Europäische Betriebsräte sind enorm wichtig, denn eine Vielzahl von Unternehmen agieren global und treffen über Staatsgrenzen hinweg Entscheidungen. 2009 wurde mit viel Widerstände die entsprechende EU-Richtlinie verbessert. Und endlich setzt die Bundesregierung diese Regelungen in nationales Recht um. Der Gesetzentwurf setzt einige wichtige neue Regelungen um, aber dennoch hat die Bundesregierung ihren Gestaltungsspielraum nicht genutzt. Hier wäre mehr möglich gewesen, um die Sozialpartner besser auf Augenhöhe zu bringen.
Vizepräsidentin Petra Pau: Die Kollegin Müller-Gemmeke hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Geschichte der Europäischen Betriebsräte ist eine Erfolgsgeschichte. Heute existieren europaweit etwa 900 Europäische Betriebsräte, davon circa 160 in Deutschland. Ihr Engagement ist enorm wichtig.
2009 trat die notwendige Neufassung der EU-Richtlinie in Kraft. Auch das ist ein Erfolg. Es stimmt: Das war harte Arbeit. Die Rechte auf Anhörung und Unterrichtung sind endlich klar definiert. Die Arbeitnehmerseite kann zur Gründung eines Europäischen Betriebsrats Sachverstand aus den Gewerkschaften hinzuziehen, und die Mitglieder haben endlich Anspruch auf Schulung und Qualifizierung. Das alles ist notwendig und eine Korrektur, die wir begrüßen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Jetzt muss die Richtlinie in nationales Recht umgesetzt werden. Die meisten Regelungen müssen eins zu eins umgesetzt werden. Diese Forderung erfüllt der vorliegende Gesetzentwurf weitgehend. Das ist allerdings eine Selbstverständlichkeit. Es gibt auch nationale Spielräume und Kannbestimmungen. Durch die Nutzung dieser Möglichkeiten könnten die Arbeitnehmerrechte weiter gestärkt werden, aber das war für die Bundesregierung dann wohl doch zu viel. In der Expertenanhörung wurde deutlich, dass manche Regelungen nicht präzise genug und einige Punkte zu ergänzen sind. Mein Fazit ist: Der Gestaltungsspielraum wurde von der Bundesregierung nicht genutzt. Ich möchte drei Beispiele nennen:
Erstens. In der Richtlinie werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, wirksame, abschreckende und im Verhältnis zur Schwere der Zuwiderhandlung angemessene Sanktionen festzulegen. Die Bundesregierung hat hier nichts verändert. Sie bleibt bei einer Obergrenze von 15 000 Euro Geldbuße.
(Katja Kipping [DIE LINKE]: Peinlich!)
Seien Sie doch ehrlich: Für multinationale Konzerne sind das Peanuts.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN – Gabriele Lösekrug-Möller [SPD]: Die lachen darüber! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Noch eine Null dranhängen!)
– Eine Null dranhängen, genau.
Zweitens. Wenn Europäische Betriebsräte nicht unterrichtet und angehört wurden, brauchen sie, gerade weil diese Sanktionen so schwach sind, zudem ein Unterlassungsrecht, damit die Umsetzung von Beschlüssen verhindert werden kann.
Drittens. Wie soll in der Praxis die Unterrichtung der örtlichen Arbeitnehmervertretungen durch die Europäischen Betriebsräte aussehen? Dafür müssen sie Zutritt zu den jeweiligen Betriebsstätten erhalten. Die Bundesregierung meint, dies sei implizit geregelt. Ich meine, das ist zu wenig. Die Regelung des Zutrittsrechts im Gesetz ist notwendig. Ansonsten sind Rechtsstreitigkeiten vorprogrammiert.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)
In dem SPD-Antrag werden diese Punkte aufgegriffen. Deswegen werden wir diesem Antrag zustimmen.
In dem Gesetzentwurf hingegen erkenne ich weitere Mängel. So macht die Bundesregierung beispielsweise von einer Kannbestimmung zuungunsten der Arbeitnehmerseite Gebrauch. In Tendenzbetrieben sollen die Anhörungsrechte der Europäischen Betriebsräte eingeschränkt werden. Das ist nicht gerechtfertigt und auch nicht notwendig. Auch die Inhalte von Schulungen sollten präzisiert werden, damit die Europäischen Betriebsräte ohne Probleme alle notwendigen Qualifizierungen erhalten.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen, viele Unternehmen in der Europäischen Union sind grenzüberschreitend aktiv. Sie operieren global, sind vernetzt und treffen über Staatsgrenzen hinweg Entscheidungen. Die Arbeitnehmerseite sitzt einfach am kürzeren Hebel. Es ist unsere Aufgabe, ihre Mitwirkungsrechte zu stärken, und es ist unsere Aufgabe, auf nationaler Ebene das europäische Sozialmodell weiterzuentwickeln.
Hier wäre mehr möglich gewesen, um die Sozialpartner besser auf Augenhöhe zu bringen. Deshalb werden wir uns bei der Abstimmung über den Gesetzentwurf enthalten. Ich meine, die Europäischen Betriebsräte hätten mehr Unterstützung von der Bundesregierung verdient.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)
Die Persönliche Erklärung zum Gesetzentwurf.