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28.04.2022

Rede: Mindestlohn und Minijobs

 

Mit der Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro setzen wir ein zentrales Vorhaben des Koalitionsvertrags um. Wir Grünen haben uns lange dafür eingesetzt, denn zu viele Menschen arbeiten in Deutschland für Löhne, die nicht zum Leben reichen. Davon betroffen sind insbesondere Frauen, die ab Oktober deutlich mehr im Portemonnaie haben werden. Das ist nicht nur fair, sondern auch ökonomisch sinnvoll. Teil des Gesetzespakets ist aber auch eine Anpassung der Verdienstgrenzen bei den Minijobs, bei dem wir nur an einer Stelle wirklich zufrieden sein können.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Für die nächste Rede erhält das Wort die Kollegin Beate Müller-Gemmeke, Bündnis 90/Die Grünen.

Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste auf den Tribünen!

Zwölf Jahre lang war ich in der Opposition, und jetzt können wir endlich politisch gestalten.

(Stephan Brandner (AfD): Schlimm genug!)

Das ist aber gar nicht so einfach; denn in so einer Ampel haben wir natürlich bei manchen Themen – nicht immer, aber bei manchen Themen – unterschiedliche Einschätzungen und unterschiedliche Ziele. Und dann wundert es auch nicht, dass wir das Gesetz heute auch unterschiedlich bewerten.

Wenn es um die Veränderungen bei den Minijobs geht, dann sind wir Grüne nur an einer Stelle wirklich zufrieden. Einen höheren Mindestlohn hingegen fordern wir schon lange; denn jegliche Arbeit hat ihren Wert und muss deshalb fair entlohnt werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

12 Euro Mindestlohn, das bringt über 6 Millionen Beschäftigten ganz konkrete Verbesserungen: 3,5 Millionen Frauen werden mehr im Geldbeutel haben. Das sind immerhin 20 Prozent der weiblichen Beschäftigten. Im Bereich Gastronomie und Hotels werden zwei Drittel der Beschäftigten von einem höheren Mindestlohn profitieren.

Und profitieren werden auch all diejenigen, die in den Krankenhäusern das Essen ausgeben oder die Zimmer reinigen. Das ist Arbeit, die wir in Zeiten von Corona als systemrelevant bezeichnen, die aber scheinbar nichts kosten darf. Diese Zahlen machen deutlich, wie groß der Niedriglohnsektor in Deutschland ist. Es wäre falsch, das weiterhin zu ignorieren. Wir müssen hier politisch eingreifen und den Mindestlohn endlich auf 12 Euro erhöhen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Damit wir den Mindestlohn erhöhen können, mussten wir aber bei den Koalitionsverhandlungen eine bittere Pille schlucken, und das war die Erhöhung der Minijobverdienstgrenze auf 520 Euro.

(Konstantin Kuhle (FDP): Das hätte aber noch mehr sein können!)

Und Kollegin Ferschl, das ist eben die harte Regierungsarbeit. Diese Regelung – und da bin ich ganz offen und ehrlich – tut richtig weh; denn wir vertreten natürlich noch immer die Auffassung, dass die Minijobs enorme Nachteile haben und dass deshalb auch kleine Jobs unbedingt sozialversicherungspflichtig sein müssten. Davon würden die Sozialversicherungen profitieren, aber vor allem die Beschäftigten und hier insbesondere die Frauen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Deshalb ist es uns besonders wichtig, dass Minijobs für Frauen keine Teilzeitfalle sein dürfen. Minijobs dürfen auch nicht als Ersatz für reguläre Arbeitsverhältnisse missbraucht werden. Beides haben wir im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Dort steht auch, dass wir die Hürden abbauen wollen, die einen Wechsel in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung erschweren. Und genau das tun wir auch: Wir erleichtern den Übergang vom Minijob zum Midijob. Diese Regelung ist wirklich richtig gut.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Diese Verbesserung ist wichtig; denn viele Frauen wollen aus dem Minijob raus und länger arbeiten.

Wer heute aber den Minijobbereich verlässt und nur wenig mehr verdient, muss sofort 52 Euro in die Sozialversicherungen zahlen. Die Frauen verdienen also teilweise erst einmal weniger, obwohl sie mehr arbeiten. Und genau diese Stelle haben wir geglättet. Künftig fallen beim Wechsel in die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung erst einmal gar keine Sozialabgaben an. 52 Euro dann erst bei einem Verdienst von 700 Euro. Die Belastung steigt dann ganz langsam an – bis zu einem Verdienst von 1 600 Euro. Damit schaffen wir also diese Hürde beim Übergang in reguläre Beschäftigung ab. Das ist gut und wichtig, und das war uns ein besonderes Anliegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Und wenn wir dann noch ein anderes Vorhaben der Ampel umsetzen und endlich die leidige Steuerklasse V abschaffen, wenn Frauen dann eben nicht mehr ständig das Gefühl haben, dass sie zwar arbeiten, aber dass es sich eigentlich gar nicht lohnt, zu arbeiten, weil fast nichts übrig bleibt, dann wird der Wechsel in sozialversicherungspflichtige Arbeit noch attraktiver.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigung – ja, das ist unser Ziel. Ob uns das mit diesem Gesetz gelingt, ob Minijobs nicht mehr zur Teilzeitfalle werden, all das werden wir am Ende mit einer Studie auch noch überprüfen. Ich hoffe auf ein positives Ergebnis. Und wenn das Ergebnis nicht gut ist, dann müssen wir nachsteuern.

Aber unabhängig davon: Das Gesetz heute ist wichtig. Denn 12 Euro Mindestlohn – das ist einfach eine Frage der Gerechtigkeit.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Rede: Mindestlohn und Minijobs