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28.04.2023

Rede: Mehr Weiter- und Ausbildung braucht das Land

Endlich wurde das Weiterbildungsgesetz in den Bundestag eingebracht. Damit bringen wir zwei große Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag auf den Weg, die uns Grünen besonders wichtig sind. Mit dem Qualifizierungsgeld unterstützen wir die Beschäftigten, im Strukturwandel neue Qualifikationen zu erwerben. Mit der Ausbildungsgarantie ermöglichen wir jungen Menschen, die Unterstützung brauchen, eine Ausbildung zu absolvieren. Damit verhindern wir Arbeitslosigkeit und sichern gleichzeitig Fachkräfte. Im parlamentarischen Verfahren werden wir allerdings noch über grüne Verbesserungsvorschläge diskutieren.

Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Die Arbeitswelt verändert sich. Die Klimakrise wird dazu führen, dass sich die Unternehmen klimaneutral aufstellen. Durch die Digitalisierung verändern sich Arbeitsplätze und auch die Anforderungen an die Beschäftigten. Während viele Branchen unter Fachkräftemangel leiden, bleiben gleichzeitig jedes Jahr viel zu viele junge Menschen ohne Ausbildungsplatz. Diese Entwicklungen nehmen wir natürlich ernst, Frau Wulf. Deshalb wollen wir die Menschen, die davon betroffen sind, mit diesem Gesetz stärken und unterstützen; denn alle brauchen berufliche Chancen und Perspektiven.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Dr. Lukas Köhler (FDP))

Zwei Aspekte sind uns besonders wichtig.

Erstens: das Qualifizierungsgeld. Viele Unternehmen werden ihre Produkte und Produktionsweisen umstellen, zukunftsfest machen in Richtung Nachhaltigkeit. Dieser Umbau, dieser Wandel betrifft natürlich auch die Beschäftigten. Sie brauchen andere Qualifikationen. An dieser kollektiven Betroffenheit der Beschäftigten setzt das Qualifizierungsgeld an. Die Beschäftigten bleiben im Unternehmen und nutzen die Zeit für Weiterbildung und Qualifizierung, und die Unternehmen haben die Zeit, sich neu zu strukturieren, und können dabei trotzdem ihre Fachkräfte halten. Wir verbinden mit dem Qualifizierungsgeld also vorausschauend Industrie-, Struktur- und Arbeitsmarktpolitik. Frau Wulf, vielleicht sollten Sie sich das nochmals anschauen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Das ist eine wichtige Antwort auf die ökologische Transformation; denn so entstehen im Wandel Perspektiven und Sicherheit.

Große Herausforderungen können nur gemeinsam bewältigt werden. Deshalb ist es besonders wichtig, das Qualifizierungsgeld eng an die Sozialpartnerschaft zu koppeln, also an Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge. So bleiben gute Arbeitsbedingungen – beispielsweise in der Automobilindustrie oder im Bereich Chemie – auch im

Strukturwandel erhalten. Das ist wichtig; denn Klimapolitik muss immer auch sozial gerecht sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Das zweite wichtige Vorhaben ist die Ausbildungsgarantie. Laut Bertelsmann-Stiftung hat rund ein Drittel aller 20- bis 34-Jährigen mit Hauptschulabschluss keine Ausbildung. Bei den jungen Menschen ohne Schulabschluss sind es sogar zwei Drittel. Das ist fatal; das müssen wir ändern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Diese jungen Menschen werden in ihrem Leben nicht nur weniger verdienen, sondern vor allem werden sie im Laufe ihres Lebens häufiger arbeitslos, auch langzeitarbeitslos. Deshalb brauchen wir eine Ausbildungsgarantie, die diesen Namen auch wirklich verdient.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Jessica Tatti (DIE LINKE): Das ist leider nicht so!)

Das Gesetz liefert gute Ansätze, um junge Menschen besser zu unterstützen. Dennoch gibt es die eine oder andere Stelle, die wir im parlamentarischen Verfahren natürlich nochmals intensiver diskutieren werden. Eine Verbesserung im Vergleich zum Referentenentwurf gibt es ja bereits: Junge Menschen, die Unterstützung brauchen, haben jetzt einen Anspruch auf eine außerbetriebliche Ausbildung. Das ist gut und wichtig. Genau das hilft den jungen Menschen, die sonst keine Chance auf eine Ausbildung haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gleichzeitig ist klar: Die außerbetriebliche Ausbildung darf nur die letzte Option sein. Die betriebliche Ausbildung muss natürlich immer im Mittelpunkt stehen. Deshalb brauchen die jungen Menschen ein engagiertes Coaching. Sie müssen aktiv angesprochen, an die Ausbildung herangeführt und dafür gestärkt werden, auch mit individuellen Unterstützungsleistungen. Sie brauchen das Coaching bei der Wahl der Branche, bei der Suche nach Betrieben und zur Unterstützung während und teilweise auch nach der Ausbildung. Das muss ein Versprechen sein. Außerdem muss und kann die Ausbildungsgarantie nur erfolgreich sein, wenn sie als Prozess gedacht und auch umgesetzt wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ein Punkt ist noch wichtig: Die Ausbildungsgarantie muss vor allem inklusiv sein. Sie muss Menschen mit Behinderung erreichen; denn sie brauchen oft keine Sonderwege, sondern das Zutrauen und entsprechende unterstützende Leistungen. Sie muss auch geflüchtete Menschen erreichen, bei denen die Ausbildung zum Beispiel mit Sprachkursen verknüpft werden muss. Und es geht natürlich auch um die jungen Menschen mit schlechten Noten, die Probleme haben, die keinen Schulabschluss haben und alleine eben keine Ausbildung schaffen. Wirklich alle sollen die Chance auf eine Ausbildung bekommen. Das ist unser Anspruch, bezogen auf die Ausbildungsgarantie. Dem wollen und müssen wir gerecht werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir verhandeln hier also ein wichtiges und spannendes Gesetz. Ich freue mich auf die Beratungen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Rede: Stärkung der Aus- und Weiterbildung